Mein Leben als Künstler
Wer mich fragt, was ich am liebsten geworden wäre, dem antworte ich: Ingenieur – nicht aus Berufung, sondern aus Prinzip.
Denn mein Antrieb ist die ständige Weiterentwicklung.
Ich denke wie ein Architekt, forsche wie ein Wissenschaftler, bilde Modelle wie ein Mathematiker, frage wie ein Philosoph und vernetze wie ein Kybernetiker.
Grenzen interessieren mich nur, um sie zu überschreiten.
Freiheit bedeutet für mich, nicht zu fragen, was andere denken – sondern zu tun, was ich denke.
Vielleicht ist genau das die Rolle des Künstlers in mir.

Bild aus: Ralf Moser | Mannheim im Quadrat |
Modell und Implementierung | 2010 |
Biografisches
Ich wurde 1960 in Mannheim geboren, bin dort aufgewachsen und habe auch in meiner Heimatstadt studiert: Kybernetik, Wirtschaftsinformatik und Wissenschaftslehre – ein Teilgebiet der modernen Philosophie. Seit 1988 entwickle ich Software. Zunächst bei der SAP GmbH, später bei der SAP AG. Meine Berufsbezeichnung stammt noch aus den 1980er Jahren: Systemanalytiker.
Heute bin ich seit vielen Jahren als Architekt tätig – nicht im technischen Sinne, sondern im übertragenen: als Gestalter von Architekturen und Ideen, Konstruktionen und ihren technischen Zusammenhängen, sowie ihren Umsetzungen in der realen Welt.
Mein ganzes Leben lang war ich fasziniert von Philosophie, Wissenschaft, Kybernetik, Technik, Kunst, Architektur und verschiedenen anderen ungelösten Problemen, ohne zu wissen warum. Meine Leidenschaft für das Lösen von Problemen ließ mich klar erkennen, dass all die verschiedenen Ansätze, denen ich in meinem Leben begegnete, auf unterschiedlichen Voraussetzungen beruhen, die letztlich starke Überzeugungen, Ideale und Dogmen hervorriefen. Letztendlich kann dieser Prozess diejenigen, die an diese Voraussetzungen glauben, vom Lernen abhalten.
Ich habe viele Jahre gebraucht, um zu verstehen, warum ich mich zu diesen Problemen hingezogen fühle: Ich will mich nicht selbst vom Lernen abhalten. Ich möchte mich nicht selbst täuschen, wie es andere Philosophen, Wissenschaftler, Künstler, Ingenieure, Architekten und andere tun, weil sie glauben, dass sie wissen. Ich möchte alle meine Annahmen im klaren Licht von Alternativen sehen. So habe ich mein eigenes Weltbild und meine eigene Philosophie entwickelt, die insbesondere auf Annahmen und Techniken beruht, wie Modelle und Pläne wahr und real werden können, so wie die Architektur von Gebäuden in Gebäudeplänen geplant und gebaut werden kann. Da solche Modelle und Pläne die Architektur eines beliebigen Lebens darstellen können, so wie Gebäudepläne die Architektur eines beliebigen Gebäudes darstellen können, enthalten sie weniger Dogmen als jede andere Philosophie. Mit einem solchen Lebensplan kommt man zur Philosophie seiner Wahl zurück, indem man die Dogmen der gewählten Philosophie hinzufügt. Man kann aber auch zu einer eigenen Philosophie und einer eigenen Vernunft finden, indem man das Problem seines Lebens in der selbstgewählten Architektur selbst aufstellt.
In mir steckt seit jeher ein Künstler – aber auch ein kreativer Architekt, Konstrukteur und Ingenieurwissenschaftler, der nach besseren Wissenschafts- und Konstruktionslehren strebt. Als sich 2009 abzeichnete, dass meine Tochter Hannah Kunst studieren würde, gründeten wir gemeinsam die Ateliers im Delta. Seitdem beschäftigen wir uns intensiv mit Fotografie, Medienkunst, Metakunst, Metametakunst und Metalogen. Was einst als gemeinsames Projekt begann, ist längst zu einem zentralen Bestandteil meines Lebens geworden. Die Beschäftigung mit Kunst ist für mich mehr als ein Hobby: Ich investiere regelmäßig meinen Urlaub und rund 20 % meiner Arbeitszeit in künstlerische Projekte – mehr Zeit, als viele hauptberufliche Künstler für freie Arbeiten aufbringen können. Die Kunst ist damit zu einer meiner Professionen geworden. Seit 2020 kümmere ich mich mit meiner ganzen Arbeitszeit den Ateliers im Delta – mein Herz schlägt für die Kunst.
Magische Räume
Seit 2014 verfügen die Ateliers im Delta über ein eigenes Atelier – ein Ort zum Fotografieren, Arbeiten und Ausstellen. Meine Motivation, Kunstprojekte zu realisieren, speist sich aus einer tiefen Faszination für den magischen Realismus in Haruki Murakamis Büchern. Seine Protagonisten treten durch das Lesen oder die Beschäftigung mit Kunst in eine andere Welt ein – eine magische Gedankenwelt, fernab vom monotonen Alltag. Mit meinen Fotografien erschaffe ich mir selbst solche Räume: Orte, in denen sich meine Gedanken frei entfalten können. In Ausstellungen bilden die Bilder die Kulisse für das magische Eigenleben der Gedankenwelt des Betrachters – ein stilles Wechselspiel zwischen Werk und Wahrnehmung, zwischen Realität und Möglichkeit.
Gedankenräume und Problemlandschaften
Das stille Wechselspiel zwischen Werk und Wahrnehmung, zwischen Realität und Möglichkeit, habe ich durch eine Technik besser verstehen gelernt: das lösungsneutrale Aufstellen von Problemen. Dieser kreative Denkansatz aus den Ingenieurwissenschaften hilft mir, Probleme nicht vorschnell im Lösungsraum zu verorten, sondern sie zunächst in einem offenen, lösungsneutralen Problemraum zu betrachten.
Dabei geht es darum, sich aller Kriterien bewusst zu werden, mit denen sich mögliche Lösungen vergleichen lassen – und diese auf ihre Relevanz für das eigene Leben zu prüfen. Es ist keine Methode im klassischen Sinne, denn jeder Mensch formuliert andere Kriterien, gewichtet sie unterschiedlich und gelangt zu einer individuellen Architektur seines Lebens.
Diese Technik ist für mich ein Weg, mich von Idealen, Methoden und Dogmen zu befreien – und stattdessen Räume für Gedanken zu öffnen, die sich in der Kunst ebenso entfalten wie im Leben.
Lösungsneutralität als kreativer Schlüssel
Die selbstgewählten Vergleichskriterien, mit denen wir mögliche Lösungen bewerten, repräsentieren unsere eigene, bewusst gewählte Vernunft. Sie steuern den Lösungsprozess – und können jederzeit an neue Erkenntnisse angepasst werden. Für mich liegt der kreative Schlüssel zur Lösungsfindung in der Art und Weise, wie lösungsneutral wir Probleme modellieren.
Statt vorschnell in einem Lösungsraum zu denken, beginne ich im lösungsneutralen Problemraum: einem offenen Denkfeld, in dem alle relevanten Kriterien gesammelt und auf ihre Bedeutung für das eigene Leben geprüft werden. Diese Technik ist keine Methode – denn jeder Mensch formuliert andere Kriterien, gewichtet sie individuell und gelangt zu einer eigenen Architektur seines Lebens.
Wer in der Lage ist, jede Annahme zu erkennen, die in Entscheidungen einfließt, kann die Struktur seines Problems verstehen – und damit auch die eigene Lösungsarchitektur gestalten. Dieses Denken hilft nicht nur bei komplexen Entscheidungen, sondern eröffnet auch ein tieferes Verständnis dafür, wie postmoderne Philosophen Informationen und Zusammenhänge idealisieren.
Carpe Diem et Noctem – Zettelwirtschaft für Lebenskrisen
Im Prozess des Lernens können wir Fortschritte machen – und dabei erkennen, mit welchen Idealisierungen, Annahmen und Dogmen wir uns immer wieder selbst in Krisen hineinmanövriert haben. Die Technik des lösungsneutralen Denkens hilft, diese Muster zu durchbrechen. Sie ist für mich der einzige Weg, das eigene Glück in der Realität zu finden. Denn Glück ist eine intime, persönliche Angelegenheit – Ideale und Methoden hingegen sind oft fremdbestimmt und weit weniger individuell.
Aus diesen Überlegungen entstand gemeinsam mit meiner Tochter Hannah das Kunstprojekt Carpe Diem et Noctem – Zettelwirtschaft für Lebenskrisen. Unsere Kunst untersucht als Metakunst, wie Idealisierungen, Einflussnahmen und normative Kontexte in Gemeinschaften die persönliche Entscheidungsfreiheit einschränken – und das ausgerechnet in jenen Bereichen, die in Demokratien eigentlich individuell gestaltbar sein sollten: Kunst, Kultur, Wissenschaft und Glaube.
Unser Projekt ordnet mit einer selbstgewählten Systematik die wichtigsten Entscheidungsfelder, in denen wir solchen Einflüssen ausgesetzt sind. Unsere meditative Kunst stellt zentrale Fragen, ohne normativ Einfluss auf die Antworten zu nehmen. Zum Beispiel:
- Wer möchte ich sein?
- Wie möchte ich mit Liebe, Lust und Leidenschaft in Partnerschaften, Freundschaften und Liebschaften umgehen?
- Wie stelle ich das Problem meiner Kunst auf?
Unsere Kunst ermöglicht es, Theorien in persönliche Lehren zu transformieren – und das „Wir“ sowie die Einflussnahmen in Theorien zugunsten des „Ichs“ und seiner Entscheidungsfreiheit zurückzudrängen.